Exponentielle Organisationen

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Nach Salim Ismails Überzeugung bringt die informationsgestützte Welt den Überfluss. Die Exponentiellen Organisationen (ExOs) machen es vor. Mit geringen eigenen Ressourcen schaffen sie ein unglaublich schnelles Wachstum, indem sie sich auf die digitale Technologie und die sich daraus ergebenden Möglichkeiten stützen.

In seinem Buch definiert er Exponentielle Organisationen (ExOs) folgendermaßen:

„Eine ExO ist eine Organisation, deren Wirkung (oder Ertrag) überproportional hoch – mindestens zehn Mal höher – ist, als bei vergleichbaren Organisationen.“

Der Grund dafür sei die Anwendung neuer Organisationsmethoden, die beschleunigende Technologien nutzen. Ismail hat zehn Merkmale entdeckt, die ExOs auszeichnen, die er unter SCALE IDEAS zusammenfasst. Das wohl wichtigste Merkmal von ExOs, vor allem für die Skalierung, sind demnach Schnittstellen. Die Schnittstellen beziehungsweise die Prozesse und Algorithmen, die dahinter stecken, sind bei jedem Unternehmen einzigartig. Ein Beispiel dafür ist Apple mit seinem App Store und die Auswahl der der Apps, die dort angeboten werden. Dafür nennt Ismail Zahlen, die inzwischen bereits wieder veraltet sein dürften:

Im App Store gibt es 1,3 Millionen Apps, die insgesamt 75 Milliarden Mal heruntergeladen wurden. Neun Millionen Entwickler haben daran insgesamt mehr als 15 Milliarden US-Dollar verdient.

IDEAS umfasst die fünf Merkmale über das, was im Unternehmen passiert, im weitesten Sinne die Kultur der  ExOs. IDEAS sorgt für Ordnung, während SCALE (Staff on Demand, Community and Crowd, Algorithmen, Leveraged Assets – Zugang statt Besitz) zum Wachstum beiträgt. Da es vor allem die Kulturunterschiede sind, mit denen sich etablierte Unternehmen so schwer tun, werden sie hier kurz beschrieben.

I steht für die Schnittstellen – englisch: Interfaces (siehe oben).

D steht für Dashboards, die sich aber fundamental von den Dashboards etablierter Unternehmen unterscheiden. Sie betrachten nicht die Zahlen von gestern, sondern arbeiten mit Zahlen in Echtzeit.

E steht für Experimentierfreude. ExOs lernen wie Startups im Tun, scheitern inklusive. Ismail gibt zu, dass Scheitern mit Software leichter ist als mit Hardware, da das Risiko nicht so hoch ist. Wenn eine App nicht perfekt ist, ist das kein Beinbruch, bei einem Atomkraftwerk hat ein Scheitern andere Dimensionen. Es muss perfekt sein. Trotzdem sind es gerade die Experimentier- und Risikofreude, die ExOs so schnell, dynamisch und wandlungsfähig machen.  Wie Mark Zuckerberg sagt: „Das größte Risiko ist, kein Risiko einzugehen.“

A steht für Autonomie, für sich selbst organisierende, multidisziplinäre Teams, die mit einer dezentralen Autorität arbeiten. Ismail spricht von „genehmigungsfreier Innovation“. Ismail ist davon überzeugt, dass Unternehmen durch Daten und Algorithmen entpolitisiert werden.

S steht schließlich für Social Technologies. Damit ist gemeint, dass Kommunikation (Datenaustausch über Chats, Apps,  Wikis, Web-Konferenzen etc.) als Katalysator und Plattform für Innovation fungiert und zu einem besseren Aufgaben-Management führt. Basis dafür sind Transparenz und Vertrauen.

IDEAS, zusammen mit einem Massive Transformation Purpose (MTP), einer großen Vision, sind der Klebstoff, der ein Team laut Ismail zusammenhält. Sinn sei wichtiger als Strategie und Umsetzung wichtiger als Planung, sagt er.  Im Grunde genommen sind ExOs also große Startups, denn sie arbeiten weitgehend nach denselben Prinzipien und mit denselben Methoden. Wenn sie sehr groß werden, wandeln sie sich in der Regel zu Plattformen.

Wie wird man eine ExO?

Der zweite Teil von Ismails Buch befasst sich mit der Frage, wie man einen Konzern oder einen Mittelständler zu einem ExO macht. Dazu gehören laut Ismail vor allem

  • eine unnachgiebige Haltung, in der Aufgeben keinen Platz hat, und
  • die konsequente Umsetzung.
  • Ideen müssen gewinnen und nicht Hierarchien.

Die Voraussetzungen sind gut, wenn es erstens eine Veränderungskultur im Unternehmen gibt, und eine visionäre Führungskraft, die die volle Unterstützung von Vorstand/Unternehmer und Führungsteam genießt. Externe Berater sollten die Führungskräfte über neue Technologien und Möglichkeiten informieren.  Darüber hinaus schlägt Ismail Vielfalt in der Führung bezüglich Alter und Geschlecht vor. Die ideale ExO-Führungskraft sollte folgendermaßen aussehen:

  • Visionärer Kundenvertreter,
  • dateninformierter Experimentierer und
  • optimistischer Realist sein.
  • Über extreme Anpassungsfähigkeit,
  • radikale Offenheit und
  • extremes Selbstvertrauen verfügen.
  • Die wichtigen Technologie- und Metatrends wie virtuelle Welten, 3D-Druck oder autonome Fahrzeuge kennen und verstehen.

Ismail betont immer wieder die Wichtigkeit von Sinn als übergeordneter Motivation für alle. Dieser Sinn oder der MTP dürfe niemals banal sein, sondern müsse groß bis sehr groß gedacht werden.

Ismails Vorschläge, die anhand von Beispielen konkret werden, sind umsetzbar. So empfiehlt er zum Beispiel den Einsatz von „Black-Ops-Teams“, die das Mutterschiff angreifen. Besonders gut gehe das mit zwei konkurrierenden Teams. Dazu könne man Querdenker und Changemaker aus der Kernorganisation mit Externen koppeln, denen man außerhalb der Organisation Freiheit lasse. Große Mittelständler und Konzerne könnten auch Inkubatoren, Gründerzentren und Acceleratoren unterstützen/gründen. Je nach Größe der Organisation sei es sinnvoll, einen CXO, einen Chief Exponential Officer, einzusetzen.

Mit ExO Lite schlägt Ismail vor, in der Organisation ein Set an ExO-Merkmalen einzuführen, also

  • einen mitreißenden MTP zu schaffen (Coca Cola: „Refresh the World“),
  • Algorithmen und Daten zu nutzen,
  • über Engagement (Gewinnspiele, Wettbewerbe) die Crowd einzubeziehen, eine Community aufzubauen und
  • mit Dashboards nicht die Skalierung der Effizienz zu messen, sondern den Grad der Lernfähigkeit der Organisation, zum Beispiel über die Einführung von OKR (mehr im Startup Code, Seite 160 ff.).

Am Schluss des Buchs gibt es einen Check mit 21 Fragen, mit dem Unternehmen herausfinden können, wie hoch ihr exponentieller Quotient bereits ist.

Noch ein Tipp: Wer die englische Sprache spricht, sollte das Buch in Englisch lesen. Die Übersetzung ist nicht die Beste.

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Johannes Ellenberg

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