Beteiligungen an Startups – Was sich hinter dem Begriff „Vesting“ wirklich verbirgt

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Gastbeitrag von Jenny Hubertus, Bartsch Rechtsanwälte Stuttgart

Ebenso vielschichtig wie die Startup-Kultur selbst, sind auch die verschiedenen Möglichkeiten der Beteiligung. Während gerade in der Anfangsphase der Startup-Tätigkeit Inkubatoren und Business Angels dem Startup die finanzielle und organisatorische Unterstützung bieten, die das Unternehmen braucht, um eigene Strukturen entwickeln und sich überhaupt am Markt präsentieren zu können, werden Investoren und große Venture-Capital-Geber meist erst dann relevant, wenn das Unternehmen einen ersten Praxistest mehr oder weniger erfolgreich – überstanden hat. Um sich am Markt dauerhaft etablieren zu können braucht das Unternehmen nach wie vor Geld und Geld bekommt das Startup in dieser Phase vornehmlich von externen Kapitalgebern, von Investoren.

Bereits bei den ersten Verhandlungen mit einem potentiellen Investor offenbart sich für viele Startups ein nicht unerhebliches Ungleichgewicht: So sind die Unternehmen oft dringend auf frisches Geld von außen angewiesen und daher in gewisser Weise von dem Wohlwollen des Investors abhängig. Sie sehen sich aber auch mit einem erfahrenen Verhandlungspartner konfrontiert, dessen oberstes Ziel die Wertsteigerung des eigenen Investments ist. Umso wichtiger ist es für junge Unternehmen, selbst einen erfahrenen Berater mit ins Boot zu holen, der das Unternehmen kennt, um mit dem Investor auf Augenhöhe verhandeln zu können.

In Laufe der Beteiligungsverhandlungen wird früher oder später auch das Thema „Vesting“ relevant. Dem Investor ist es wichtig, die Gründer möglichst langfristig an das Unternehmen zu binden, sieht er doch den maßgeblichen Unternehmenserfolg weniger in dem jungen Unternehmen als solchem, sondern in der Arbeitskraft und dem Know-how das die Gründer mitbringen. Ein geeignetes Mittel hierzu ist das Vesting. Doch was sich hinter diesem, aus dem US-amerikanischen Rechtsraum stammenden Begriff tatsächlich verbirgt, ist den wenigsten Gründern bekannt.

Das Vesting baut auf dem Grundgedanken auf, dass Gründer ihr mit persönlichem Einsatz und Engagement selbst aufgebautes Unternehmen nicht aus der Hand geben wollen, um am Unternehmenserfolg möglichst unmittelbar und umfassend partizipieren zu können. Gleichzeitig ist der Investor zum Schutz seines Investments auf eine möglichst langfristige Beteiligung der Gründer als Antreiber und Ideengeber angewiesen.

Mit dem Vesting sollen daher die Gründer für die Investmentphase an das Unternehmen gebunden werden, damit das Investment nicht durch einen Weggang der Gründer ins Wanken gerät.

In einem ersten Schritt müssen die Gründer daher dem Investor ein unwiderrufliches Erwerbsrecht an ihren eigenen Anteilen einräumen. Übt der Investor das Erwerbsrecht aus, kann er die Anteile der Gründer zu zuvor festgelegten Konditionen an sich ziehen. Dieses Erwerbsrecht dient jedoch nicht in erster Linie dazu, die Gründer zu enteignen. Über das Vesting wird den Gründern nämlich zugleich die Möglichkeit eingeräumt, die eigenen Anteile wieder Stück für Stück vom Erwerbsrecht des Investors „zu befreien“. Hierzu vereinbaren Investor und Gründer eine Zeitspanne, die sog. Vesting-Periode, an deren Anfang sich das Erwerbsrecht des Investors auf alle Anteile der Gründer erstreckt (sog. ungevestete Anteile), an deren Ende aber wiederum alle Anteile von dem Erwerbsrecht des Investors frei geworden sind (sog. gevestete Anteile).

Während der Vesting-Periode, die sich meist über 3-5 Jahre erstreckt, sinkt die Zahl der ungevesteten Anteile für jeden Zeitabschnitt, in dem die Gründer ihre volle Arbeitskraft in das Unternehmen stecken, um einen gewissen Prozentsatz, z. B. um 25% pro Jahr bei 4 Jahren Laufzeit. So werden am Ende des ersten Jahres 25%, am Ende des zweiten Jahres 50%, am Ende des dritten Jahres 75% und am Ende des vierten Jahres 100% der Anteile der Gründer wieder vom Erwerbsrecht des Investors frei.

Scheidet ein Gründer jedoch vor Ende der Vesting-Periode aus dem Unternehmen aus, kann der Investor das Erwerbsrecht an den zu diesem Zeitpunkt noch ungevesteten Anteilen ausüben und diese zu den zuvor festgelegten Bedingungen vom Gründer erwerben.

Die Bedingungen wiederum, unter denen der Investor die ungevesteten Anteile erwerben kann, divergieren oft danach, ob der Gründer selbstverschuldet aus dem Unternehmen ausscheidet, oder ausscheiden muss (dann ist er als sog. Bad Leaver anzusehen), oder ob der Gründer unverschuldet (also als sog. Good Leaver) das Unternehmen verlässt bzw. verlassen muss.

Ebenso wie die Dauer der Vesting-Periode und der Prozentsatz, um den die gevesteten Anteile pro Zeitintervall ansteigen sollen, löst die Definition dieser Good- und Bad Leaver-Fälle oft heftige Diskussionen unter den Verhandlungspartnern aus. Während der Gründer bestrebt ist, die Good Leaver-Fälle möglichst umfassend zu regeln, strebt der Investor dieses umgekehrt für die Bad Leaver-Fälle an.

In der Regel ist der Gründer zumindest dann als Bad Leaver anzusehen ist, wenn ihm die Gesellschaft aus wichtigem Grund seine Geschäftsführerposition entziehen kann oder er selbst ohne wichtigen Grund sein Geschäftsführeramt niederlegt.

In allen Fällen jedoch, in denen der Gründer selbst aus wichtigem Grund seine Geschäftsführerstellung beenden kann (z.B. schwerwiegende Krankheit, Erreichen der Regelaltersgrenze, schwerwiegende Verfehlungen der Gesellschaft oder eines anderen Gesellschafters gegen ihn) ist der Gründer als Good Leaver anzusehen.

Diese Differenzierung ist für den Gründer von nicht unerheblicher Bedeutung, folgt doch aus der Tatsache, ob er als Bad- oder als Good Leaver das Unternehmen verlässt, zugleich auch die Höhe der Abfindung, die er bei Ausübung des Erwerbsrechts vom Investor für seine ungevesteten Anteile erhält. Scheidet der Gründer als Good Leaver aus, erhält er für seine ungevesteten Anteile zumindest meist den Verkehrswert und steht somit gar nicht schlecht da, während ihm als Bad Leaver jedoch gerade einmal der Buchwert zusteht. Hat das Unternehmen bereits eine vielversprechende Entwicklung zurückgelegt, die mit unter auch auf das Engagement des Gründers zurück zu führen ist, ist das für den Gründer ein herber Verlust.

Eben aus jenem Grund ist das Vesting dann auch für den Investor eine gute Möglichkeit, sich die Loyalität und Mitarbeit des Gründers während der Vesting-Periode zu sichern.

Unter den zuvor dargestellten Grundsätzen sind natürlich viele Spielarten möglich. Jedes Startup sollte daher vor Beginn der Verhandlungen mit dem Investor die Vesting-Klauseln, die der Investor in den Vertrag einbeziehen will, genau studieren und sich passende Gegenargumente zu Recht legen. Auch eigene Alternativvorschläge können dem Investor zeigen, dass er es hier mit einem ernstzunehmenden Verhandlungspartner zu tun hat.

Viel Erfolg bei den Vertragsverhandlungen!

Über Jenny Hubertus:
Jenny Hubertus ist Rechtsanwältin bei Bartsch Rechtsanwälte Stuttgart. Sie berät Startup-Unternehmen von der Gründung und der Umsetzung internetbasierter Geschäftsmodelle über die Beteiligung von Investoren bis hin zum Exit.

Johannes Ellenberg

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